Kriegerdenkmal in Otzenrath, neu beschriftet, Foto: Juli 1996

Wozu werden Kriegerdenkmäler gebraucht?

Die tote Dienstmannschaft

Mit Kriegerdenkmälern und der damit verbundenen widerwärtigen Traditionspflege
stellen Staaten zur Schau, wie sie ihre Leichenproduktion im Kriege gerne gesehen
haben möchten: Als ehrenvolles, hochanständiges Pflichterfüllungsprogramm. Leben und Tot der Soldaten gehen ganz im Dienst an der Nation auf, sogar nach dem
Heldentod hört das Dienstverhältnis nicht auf. Immer wieder dürfen die Toten den
Dank des Vaterlandes entgegen nehmen. Ausgerechnet genau den perversen
bedingungslosen Gehorsam ihrer Untertanen zollen Politiker in unzähligen Reden und Kranzniederlegungen ihren Respekt, der es ihnen ermöglicht, Kriege überhaupt führen zu können. Keine Nation blamiert sich daran, Millionen Untertanen verheizt zu haben,
selbstverständlich auch bis zum sogenannten „bitteren Ende“. Im Gegenteil, es kann nur für die Güte und Qualität einer Nation sprechen, wenn viele bereitwillig ihr Leben geben. Bei soviel Hingabe seiner „Befehlsempfänger“ reagiert der Staat mit Stolz und verteilt Danksagungen an jene, die es soweit gebracht haben, dass sie darauf auch gut verzichten können. Dafür sind Kriegerdenkmäler der „lebendige“ Beweis. Sie überziehen deshalb jedes Land pietätvoll bis in die letzten Winkel.

Opfern fürs Vaterland, das auch woanders zu Opfern führt, ist eine staatsbürgerliche Pflicht ersten Ranges auf die kein Staat verzichten kann. Mit dieser Botschaft erinnern Kriegerdenkmäler daran, dass der Dienst an der Nation ohne Umstand auch den Einsatz des eigenen Lebens notwendig macht. Das erschreckt so leicht niemand. Vielmehr gilt der unnatürliche Tod im Krieg als ehrenvoll. Insofern tragen Kriegerdenkmäler zum Nationalstolz bei. Man stelle sich vor, die nationalen Vehrkerstoten würden zu solchen Ehren kommen.

Jedes Kriegerdenkmal soll dem Betrachter ehrfürchtig die nationale Leistung aus Ehre und Tod vor Augen führen. Sie sollen ergriffen werden von den nationalen Höchstleistungen (Anzahl Tote), zu denen ihre Nation fähig war. Dies steht in seltsamen Kontrast zu der Dürftigkeit der Angaben. Alle Hersteller von Kriegerdenkmälern erachten nur 3 Dinge auf ihren Steinhaufen für mitteilenswert: Kriegsdauer, Namen (oft als Gruppe zusammengefasst) und einem „Danke“. Die Ehre gebietet wohl auch hier, auf keinen Fall von diesem Muster abzuweichen. Ein Kriegerdenkmal stellt sich stur gegenüber den Gründen des Krieges. Es macht keine Angaben über die Täter, undenkbar im zivilen bürgerlichen Leben, wo extra Mordkommissionen gebildet werden, um Täter auf die Spur zu kommen. Die Ehrfurcht hilft auch hier, dass weder Fragen noch Antworten auftauchen. So heißt es zum Beispiel auf einem solchen Steinhaufen lapidar : "IHREN GEFALLENEN SÖHNEN DIE GEMEINDE GLIENICKE 1914-1918 und leicht missverständlich auf einem anderen: „DEN IM WELTKRIEGE 1914-1918 GEFALLENEN BRÜDERN DIE DANKBARE GEMEINDE“.

An Kriege, egal ob 1., 2. Weltkrieg oder sonst einen Krieg, erinnert weiter nichts, als eine mehr oder weniger protzige Danksagung. Ausschließlich der treuen Pflichterfüllung, die mit dem Tode "beweiskräftig" erbracht wurde, gilt die immergleiche unerschütterliche Danksagung. Dass der Dienst der Untertanen, für den da gedankt wird, soweit ging, sich umbringen zu lassen und selbst umzubringen, ist unterstellt, daran braucht nicht erinnert zu werden, weil es auch in Zukunft fraglos gültig ist. An der Pflichterfüllung zu rütteln, sie in Frage zu stellen, dass soll beim Anblick von Kriegerdenkmälern niemand einfallen. Das würde Kriege führen unnötig erschweren. Pflichtschuldigst zu sterben (im Krieg fällt man), dafür gibt es ein fast kostenloses Dankeschön. Das soll ehrfürchtig bewundert und genossen werden. Dafür braucht es jede Menge Kriegerdenkmäler. Also bleibt kein Friedhof ohne ein "Dankeschön den vielen Opfern".

Einen Dank unterlassen zu haben, gilt im bürgerlichen Leben oft als schlimmer Fehler, fast als Verbrechen. Das wird übelgenommen. Da können sich Mitmenschen tagelang aufregen. Ein Danke kommt dem bürgerlichen Verstand vor, wie eine Honorar auf das er Anspruch hat. Beschwert wird sich nicht über eine fehlende Gegenleistung, sondern über das fehlende Danke. Ein Danke ist wichtiger, obgleich damit nichts vergütet wird. Dies kann sich der Staat, der Erbauer all der nationalen Steinhaufen, nun wirklich nicht nachsagen lassen. Der Staat weiß, was er seinen toten und überlebenden Bürgern nach einem Krieg schuldig ist: Ein großzügiges, überall aufgebautes, dickes, Danke. Damit ist die Sache erledigt. Der Bürger scheint zufrieden.

Im Dank erübrigt sich auch die Frage nach den Tätern, deren Spuren ausgelöscht erscheinen. Die fehlenden Täter fallen nicht auf. Noch ein Grund für das Aufstellen möglichst vieler Kriegerdenkmäler.

Je nachdem wie viel Leichen die Sache der Nation Wert waren, bemisst sich die Größe der Denkmäler und deren Kosten. Das "Holocaust-Denkmal" ehrt 6 Millionen Opfer mit einem 30 Millionen DM teuren Denkmal und löst damit den Protest anderer Opfergruppen aus, die ebenfalls größere Opferzahlen vorweisen können. Opfer sein zu dürfen, bedarf der staatlichen Anerkennung, erst dann ist man richtiges Opfer. In diesem Fall fällt die Ehrung allerdings aus dem Rahmen, denn die Geehrten waren im 3. Reich, dessen Rechtsnachfolger die Bundesrepublik ist, die größten Staatsfeinde, für die nur die Ausrottung in Frage kam. Sie kamen nicht mal zu der Ehre, Feind sein zu dürfen, denen man eine besondere Behandlung z.B. als Kriegsgefangene hätte zuteil werden lassen müssen. Sie waren innere Feinde des nationalen Volkskörpers. Aber Feinde, ob innere oder äußere kommen selten in den zweifelhaften Genuss, geehrt zu werden. Die Masse dieser Opfer würden nochmals eine Menge Denkmäler nötig machen, und dabei die eigenen Kriegerdenkmäler etwas fragwürdig aussehen lassen. Soviel weitere Opfer sind mit Danksagungen schlecht zu befriedigen. Ein Danke ihnen gegenüber läst sich überhaupt nicht anbringen, so bleibt diesen Opfern nur die Ehrung, wobei sich der Staat beim Ehren der Opfer vorteilhaft selbst mitehrt. Die Feinde zu ehren, das ehrt besonders. Auch bei dieser ekelhaften Prozedur erübrigt sich die Frage nach den Tätern. Das Wort Holocaust bedeutet Brandopfer, d.h. ein "Holocaust-Denkmal" widmet die gemordeten Juden zu Opfern ihres Glaubens um. Die Täter waren sie selbst wird damit bedeutet.

Entscheidend für den Bau von Denkmälern ist die Frage, ob mit der Ehrung von Opfern Ehre eingelegt werden kann.

Während sonst vor jeder kleinsten Gefahr gewarnt wird:„Achtung Glatteis“ oder „Vorsicht Hochspannung“ und versucht wird, Gefahrenherde so schnell wie möglich abzuschaffen, denkt bei Kriegerdenkmälern niemand an diesen Zusammenhang. Was soviel Leichen, mehr als der elektrische Strom, verursacht, ist bei Kriegerdenkmälern kein Hinweisschild auf die Gefahrenquelle Wert. Ein Hinweis auf die Täter von so vielen Opfer wird man vergeblich suchen. Sie werden davon ausgenommen. Hier darf gestorben werden. Das wird von Politikern aus gutem Grund überaus hoch geschätzt, und entlarvt sie nicht des Zynismus.

Im Laufe der Kriege hat sich auf diese Weise eine gut eingefahrene Arbeitsteilung herausgebildet. Der Staat produziert die Leichen und bedankt sich hinterher bei ihnen. Dieses einträchtige Verhältnis darf auf keinen Fall gestört werden, das hieße, die Würde der Toten beleidigen. Egal ob Herrschaft per Kaiser, Führer oder über demokratisch gewählte Politiker zustande kommt, der Dienst für die Nation im Frieden sowie im Krieg bleibt selbstverständlich grundlegend und fraglos anerkannt. Fürs Vaterland zu sterben, ist in jedem Fall ehrenvoll und darum der schönste Tod. Kriegerdenkmäler stellen keine Kritik am Krieg dar, sondern feiern die nationalen Ruhmestaten. Unter dem Nazireich sind die Denkmäler der Nation vor lauter Würde schier „am Platzen“ gewesen. Nach dem Krieg wurden viele zerstörte Denkmäler wieder aufbaut, wenn sie national genug waren (Wilhelm III) und wenn nicht abgerissen (Brücke in Torgau, Lenin). Eine wichtige Aufgabe, die bis heute anhält und nicht aufhören wird, besteht darin, die Reste der toten Dienstmannschaft in „fremder Erde“ in langen Reihen auszurichten, so kennen sie das ja. Zum verwechseln ähnlich die Reihen der Jungs von der anderen Seite. Sie Auseinanderzuhalten war jeweils ein großes nationales Anliegen. Dafür darf gespendet und getrauert werden. Das wird keinen Politiker davon abhalten, weitere Kriegerdenkmäler produzieren zu lassen.

 

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